Ich sah gestern Abend einen Fernsehbeitrag über berühmte Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Zu ihnen gehörte dabei auch Nelson Mandela. Ungeheuer beeindruckend, wie er in hohem Alter und nach 27 Jahren Haft auf einer Insel vor Kapstadt, die Geschicke seines Landes übernahm, in einem friedlichen Übergang – der aus der Geschichte der Apartheid heraus nichtsdestotrotz als ein revolutionärer Umbruch gesehen wird. 1996 hatte ich Gelegenheit zu einem Besuch in Südafrika.
Ein amerikanischer Freund wurde Ende 1995 vom Hauptquartier in New York zum Bürochef einer UN-Sonderorganisation in Pretoria ernannt. Er lud mich ein, ihn dort zu besuchen. Und so machte ich mich eines Morgens im November 1996 auf nach Hannover und flog via Brüssel nach Johannesburg. Jay holte mich in der Abenddämmerung am Flughafen ab und brachte mich von dort nach Pretoria: morgens Frühstück im herbstlichen Niedersachsen, abends eine Gartenparty im Frühsommer der Südhalbkugel.


Man spürte knapp zwei Jahre nach dem politischen Umbruch den Geist des Aufbruchs überall. Zugleich aber waren die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Apartheid noch allenthalben zu sehen. Besonders deutlich wurde das bei einem Besuch des Alexandra Townships, das auf Sichtweise des hippen Johannesburger Stadtteils Sandton lag.




Wie alle Townships war Alexandra damals geprägt von Gewalt und einer hohen HIV-Prävalenz. In einer öffentlichen Feierstunde mit der zuständigen Ministerin im Kabinett von Mandela wurde zur Versöhnung aufgerufen. Jay gab anschließend dem südafrikanischen Fernsehen noch ein Interview.



Er nahm mich mit in sein Büro in der Innenstadt von Pretoria und zu einem Treffen mit Beamten des Gesundheits- und Familienministeriums. Es war erstaunlich, wie die weißen Beamten um einen Konferenztisch saßen und ihrem schwarzen Chef zuhörten, der die Sitzung leitete. Es war damals einer der Erfolge der Versöhnungspolitik von Mandela, dass die weiße Verwaltung des Landes sich den neuen politischen Wirklichkeiten stellten. Jeden Abend übertrug das Fernsehen Sitzungen der Truth and Reconciliation Commission, die Nelson Mandela zur Aufarbeitung der Apartheidsverbrechen eingerichtet hatte (etwas, das zum Beispiel bis heute im Nordirland-Konflikt fehlt).
Jay schlug vor, dass ich sein Auto nutze und mit einer dänischen UN-Kollegin zu einem Besuch in den Krüger-Nationalpark fahre.
Die Straße Richtung Maputo führte aus der Ebene Gautengs in die Berglandschaft in Eastern Transvaal (heute Mpumalanga). Wir hatten uns eine Lodge an einem Fluss am Südeingang zum Park gemietet. Von der Terrasse konnten wir Tiere beobachten, die zum Trinken an den Fluss kamen.


Der Hausherr begleitete uns am folgenden Tag mit seinem Jeep zu einer Tour durch den Park, die uns fast 100 km nach Norden führte. Wir hatten großes Glück und konnten ein paar der Big Five sehen (Elefant, Nashorn, Löwe), dazu Giraffen, Gnus, Hyänen. Unser Guide war aufgeregter als wir (ich muss zugeben, Wildsafaris waren damals nicht mein Ding), als wir in der Dunkelheit ein Rudel Wildhunde sahen, wohl äußert selten gewordene Tiere.







Wir fuhren über einen Umweg durch die Schichtstufen von Transvaal zurück nach Pretoria und machten Rast in der Stadt Witbank.





Am Abend vor dem Rückflug lud Jay mich zu einem Essen in ein nobles Restaurant in der Innenstadt von Pretoria ein. Alle Gäste wurden in eigenen Zimmern bewirtet, es gab Springbock-Braten (glaube ich), jedenfalls viel südafrikanischen Weißwein. Wir unterhielten uns prächtig, der Wein tat ein Übriges. Weit nach Mitternacht meinte mein amerikanischer Freud, so nun müssten wir zurück. Er habe zu viel getrunken, ich solle fahren (wusste aber selbst kaum, wo mir der Kopf stand). Draußen in der lauwarmen Nacht waren die Straßen wie ausgestorben, Jay dirigierte mich zu seinem Haus am Stadtrand. Was, wenn wir angehalten würden, fragte ich. No problem, er habe ein diplomatisches Kennzeichen. Wir erreichten sein Haus sicher und ohne Zwischenfälle.
Nach acht Tagen hieß es Abschied nehmen. Jay brachte mich wieder zum Flughafen, diesmal flog ich über Nacht zurück nach Brüssel. Und während unter uns die Tropengewitter am Äquator blitzten, träumte ich von Löwen und Giraffen.

Schön, dass du damals Zeitzeuge warst. Wir waren 2015 in Südafrika und mich hat es erschreckt, dass die Folgen der Apartheid immer noch nicht überwunden waren. Bewachte, eingezäunte Villen der Weißen und nebendran Townships der Schwarzen mit Armut.
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Toll, hat mir auch gefallen. Waren in 2004 dort, der Auto-Vermieter hat uns einen weißen Polo ausgesucht, mit dem haben wir dann mal aus Versehen einen Township befahren. Tolles Gefühl.
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