Das musste jeden Personalchef überzeugen: ein Lebenslauf auf zwei Seiten, übersichtlich gegliedert, ohne Unterschrift oder Zeugnisse, einfach nur knallharte Fakten: „Ein vorausschauender Business Development Professional, fließend in drei Sprachen, erfahren im Vertrieb mit vielfältiger, nachgewiesener Fähigkeit die Bottom Line zu optimieren“ schreibt der Bewerber in einer Zusammenfassung über sich. Enthusiastische Führungspersönlichkeit, fähig zu anspruchsvollen Tätigkeiten und dem Aufbau positiver Erfahrungen mit einer history, ineffiziente, unter ihren Möglichkeiten arbeitende Operationen in erfolgreiche Unternehmungen zu verwandeln, heißt es weiter. Wow!

Den nehmen wir, dachten sich die Entscheider, zumal sich sonst keiner beworben hatte. Wer will schon in einem für Republikaner aussichtslosen Wahlkreis auf Long Island nahe New York für den Kongress kandidieren? Auf weitere Belege für den erstaunlichen Lebenslauf wurde verzichtet, der junge Mann klang im Interview überzeugend. Vom Vice President von Irgendwas zum Project Manager bei Goldman Sachs bis hin zum Business Development Manager in Orlando, fast alles mit quantifizierbaren Erfolgen bei der Bottom Line.
Hilfreich war zudem, dass sich der Bewerber als „gay and Jewish“ charakterisierte, mit Großeltern aus der Ukraine (!), die dem Holocaust nach Brasilien entflohen waren. Das, so die Entscheider, würde sicher Stimmen aus dem liberalen Lager abwerben.
George S. (34) plante den Quereinstieg zum Erfolg gleich ganz oben. Und gewann, er wurde im November 2022 in jenem wohlhabenden Wahlkreis zum Kongressabgeordneten gewählt. Pech nur, dass die New York Times einmal genauer nachfragte. Es stellte sich heraus, dass der Lebenslauf fast komplett eine Erfindung ist. Nicht einmal einen College-Abschluss hat er, selbst seine Highschool kannte ihn nicht.
Inzwischen ist er als Abgeordneter im Repräsentantenhaus vereidigt und hat den umstrittenen Speaker of the House mit gewählt. Der ist dankbar für jede Stimme. Wenn ihm keine kriminellen Machenschaften, etwa bei der Finanzierung seines Wahlkampfes nachgewiesen werden können, wird George S. über Gesetze in den USA mit entscheiden.
Sein Lebenslauf und die Bewerbungsstrategie sollte in keinem Bewerbertraining bei uns fehlen, als Lehrbeispiel für rise and fall. Hübsche also nicht Dein Praktikum beim Autohändler als worked for a global player der Automobilindustrie auf, den Jamaika-Urlaub als exploratory mission für die geplante Dissertation und den Küchendienst der WG als team leader im domestic management. Man könnte nachfragen.
Armes Amerika!
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