Ich hatte das Auto gerade am Medan Kampung Portugis abgestellt, da riefen die Männer im Cafe am Rand des Platzes, ich solle mich doch auf einen Kaffee zu ihnen setzen. Der Himmel war bedeckt und ein Lüftchen machte den schwül-grauen Tag ideal um draußen zu sitzen.

Fußball war das Aufmacher-Thema unserer Unterhaltung bei süßem Kaffee (das Kaffeepulver schwimmt in einem Beutel in der Glastasse). Hier im „Portuguese Settlement“ gibt es Public Viewing – wenn der Monsun keinen Strich durch die Rechnung macht, sehe ich mir heute Abend dort das Japan-Spiel an, die Einladung steht.

Zwar sind die historischen und kulturellen Spuren Portugals auf dem Globus leicht zu finden: Brasilien, Angola, Mosambik, dazu kleine Staaten in Westafrika, die Kapverden und in Asien Osttimor, alle haben Portugiesisch als Landessprache.
Aber oft übersehen werden kleinere kulturelle Inseln wie Goa oder Macao. Dazu gehört vor allem die portugiesisch-sprachige Bevölkerungsgruppe in Melaka. Seit den 1930er Jahren leben die Nachfahren der portugiesischen Seefahrer in einer eigenen Siedlung im Süden der Stadt (Kampung Portugis). Sie sind ethnisch ein Mix aus Portugiesen und Malaien, sprechen Kristang oder Christao (ein Dialekt aus beiden Sprachen), sind zum Teil noch Fischer und definieren sich über ihre katholische Tradition. Im Gegensatz zu Briten und Niederländern nahmen die Portugiesen ihren „missionarischen“ Auftrag, Seelen für die Kirche zu gewinnen, wörtlich – seid fruchtbar und mehret euch!

Einer der Männer trug stolz ein T-Shirt zum San Pedro Festival, das jährlich im Juni gefeiert wird. Aber Weihnachten solle ich unbedingt kommen: Die ganze Siedlung und der Platz seien dekoriert, man säße zusammen, esse und trinke und feiere die Christnacht. Ob wir das in Deutschland auch täten? Ach, ja stimmt, sagte der andere am Tisch, ist ja viel zu kalt. Also, dann solle ich hier in die Wärme kommen (ich überlege es mir). Ein weiterer Mann setzte sich mit der Gitarre unter einen Baum und spielte eine Art Fado-Melodien.
Es ging auch um Politik, hier hat die Harapan-Partei (Mitte-links) die meisten Stimmen erhalten („Anwar muss Premierminister werden“). Es ging um Inflation, Krieg, Investitionen, alle waren bestens informiert über die Lage in Europa (und der Welt). Aber dass die Wahlen keine klaren Mehrheiten geschaffen hätte, machte sie besorgt. Wie einfach habe es das benachbarte Singapur mit nur einer Partei und einer guten Politik. Aber man stimmte meinem Einwand zu, dass Demokratie eben immer ein schwieriges Geschäft und Malaysia auf einem guten Weg sei. „Wir sind auch ein reiches Land“, meinte einer. „Wir haben Zinn, Kautschuk, Palmöl, Erdöl, Erdgas.“ Es komme zu wenig unten an, zudem nehme die Inflation den Rest des Geldes weg.
Mit Blick auf die gewaltigen Wohn- und Hoteltürme vor ihrer Siedlung frage ich nach den Auswirkungen. Einer am Tisch betreibt Fischerei mit einem kleinen Boot, meist Krabben und Prawns. Die liefert er frisch an die Restaurants rund um den Medan. Von den großen Bauherren (aus China und Singapur) habe man wenig an Kompensation für die verlorenen Fischereigründe erhalten, klagte einer. Da würden lauter weiße Elefanten aus Beton hochgezogen, die sich die lokale Bevölkerung sowieso nicht leisten könnte.
Ich hatte aber den Eindruck, dass es den Männern und ihren Familien gut geht – was sie auch bestätigten. Sie besitzen alle ein kleines Haus, der Zusammenhalt in der Community ist groß und man ist stolz auf das kulturelle Erbe. Alle in der Siedlung haben exzellente Ausbildung und finden gute Stellen (zum Beispiel auf Handelsschiffen oder bei Petronas, der staatlichen Ölgesellschaft).
Zwei Stunden saßen wir zusammen, und den Rat, sich das Fußballspiel heute Abend im Restaurant auf der anderen Seite des Platzes anzusehen, nehme ich gern an.
Was für ein Volltreffer, in so einer Gesprächsrunde zu laden. Toll, mag ich so etwas.
Grüße aus Berlin, gestern aus Lisboa zurück … 😉
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