Hinter den Bäumen setzt eine riesiger Jet zur Landung an. Vor uns Kolonnen weißer Marmorkreuze auf makellosem Rasen – es wirkt wie die Installation eines Künstlers. Aber jedes Kreuz markiert ein Grab, einige Tausend gibt es auf diesem Friedhof im Osten der Stadt Luxemburg.

Solche Gräberfelder entstehen derzeit wieder in unser östlichen Nachbarschaft. Auf einem Soldatenfriedhof aus dem Zweiten Weltkrieg zu stehen verstärkt daher die Fassungslosigkeit über einen europäischen Krieg im 21. Jahrhundert.
Wir waren Ende Oktober den Schildern Richtung Cimetières Militaires gefolgt. Der Luxembourg American Cemetery liegt am Kirchberg, nahe dem Flughafen Findel. Die Stille des Friedhofs wird ab und an durch landende Jets gestört.




Die Gefallenen stammen aus allen Regionen der USA, ihr Leben opferten sie bei der Befreiung Deutschlands vom Faschismus. Die meisten fielen in den letzten Monaten des Krieges: Vor allem die Ardennenoffensive im Dezember 1944/Januar 1945 kostete vielen Männern das Leben. Auf Seiten der USA starben in den vier Wochen nahezu 20.000 Soldaten.

Einer von ihnen war wohl Sergeant Ronald Peck aus Norddakota, vor dessen Kreuz ich zufällig stand. Ich weiß nichts über sein Alter und seine Familie, die in den Weiten des Mittleren Westens zurück blieb. Vielleicht muss man es sich so vorstellen, wie im Spielberg-Film „Der Soldat James Ryan“, wo ein Auto auf der Farm vorfährt und der Mutter mitteilt, dass ein weiterer Sohn gefallen ist.
In San Francisco begannen die Vorbereitungen für die neue Nachkriegs-Weltordnung, als in Europa noch gekämpft wurde. Mit der Gründung der Vereinten Nationen sollte die Wiederholung einer solchen Katastrophe ausgeschlossen sein. Die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkrieges garantierten im eigens geschaffenen Sicherheitsrat diese Ordnung, heute sind wir eines besseren belehrt.
Unweit des Soldatenfriedhofs auf dem Kirchberg finden sich die in Luxemburg ansässigen Institutionen der Europäischen Union, wie zum Beispiel der Europäische Gerichtshof. Die europäische Einigung ist ebenfalls eine politische Konsequenz aus dem Weltkrieg.
Es gibt auf dem Territorium des Großherzogtums auch einen Friedhof für gefallene Deutsche. Gut 17.000 von ihnen kamen in jener Offensive im Winter 1944/45 ums Leben, als der Krieg schon verloren war. Im Moseltal nahe Trier fanden wir ein kleineres Gräberfeld, mitten auf dem örtlichen Friedhof.

Am äußersten Rand steht der Grabstein für Dieter Bucken. Der 18-Jährige fiel früh im Krieg, wohl mit dem Überfall auf Belgien und Luxemburg. Er war todgeweiht, als das Verbrecherregime in Berlin den Angriff im Westen befahl.
Spätestens seit dem 24. Februar 2022 wissen wir, dass wieder zehntausende junger Männer und Familienväter in den sinnlosen Tod geschickt werden. Man ballt die Fäuste, denn die Väter meiner Generation waren häufig Überlebende aus der Hitler-Armee. Im Alter von 18 Jahren wurde mein Vater im Winter 1945 in Estland schwer verwundet und nach Riga evakuiert. Eine Beinamputation im dortigen Hauptkrankenhaus rettete ihm das Leben.
Im Monat November häufen sich Gedenktage an Kriegstod und Naziverbrechen. Aber in diesem Jahr findet das reale Grauen zeitgleich in der europäischen Nachbarschaft statt. Die Botschaft aus den Gräbern der Vergangenheit wurde offensichtlich nicht gehört.

Letztes Jahr stand ich in der Normandie auf solch einem gigantischen Soldatenfriedhof. Bedrückend. Noch schlimmer, dass all das ja gerade wieder passiert. Gute 1.200 km von hier, ich bräuchte nicht mal zwei Tankfüllungen
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