Morgenrot – Suche nach Worten

Ich suchte nach einem passenden Gedicht, um den wunderschönen Sonnenaufgang heute zu beschreiben – im Sommer muss man dazu um vier Uhr morgens aufstehen. Im Morgenlicht leuchteten die bunten Blätter surreal.

Also gab ich bei Google folgendes ein: Gedichte Morgenrot Romantik. Was rauskam, war zum Teil albern, zum Teil lustig und zum Teil schockierend. Es war allzu leicht, auf Seiten von Verschwörungstheoretikern zu gelangen. Mein Logo zu den Sustainable Development Goals (oben) etwa stand bei einer Seite für die bevorstehende Weltherrschaft – alles belegt mit Bibelzitaten. Das Buch der Apokalypse scheint für solche Menschen wie eine Offenbarung, die nicht nur apokalyptische Reiter und sieben Siegel hergibt, sondern auch gleich das Weltende voraussagt. Zum Glück fand ich ein sehr nachdenklich machendes Gedicht von Rainer Maria Rilke, welches er 1901 verfasst hat.

Du bist die Zukunft, großes Morgenrot

Du bist die Zukunft, großes Morgenrot
über den Ebenen der Ewigkeit.
Du bist der Hahnschrei nach der Nacht der Zeit,
der Tau, die Morgenmette und die Maid,
der fremde Mann, die Mutter und der Tod.

Du bist die sich verwandelnde Gestalt,
die immer einsam aus dem Schicksal ragt,
die unbejubelt bleibt und unbeklagt
und unbeschrieben wie ein wilder Wald.

Du bist der Dinge tiefer Inbegriff,
der seines Wesens letztes Wort verschweigt
und sich den Andern immer anders zeigt:
dem Schiff als Küste und dem Land als Schiff.

Rainer Maria Rilke, 1901

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