Es sind Zeiten, da wacht man morgens auf und denkt: „Mit welcher Einstellung komme ich heute durch den Tag?“ (Ich sage das aus dem unendlichen Luxus des Ruhestands, denn weder Umsatzziele noch ein neurotischer Chef stören meine Gedanken).
Naheliegend ist es, in Zynismus zu verfallen. Ich muss nicht aufzählen, was dazu gehören würde – von politischen Narren bei uns bis hin zu gefährlichen Irren an den Hebeln einer Weltmacht. Aber Zynismus lähmt: Einmal in der Spur und Dir fehlt jeder Hang zum Konstruktiven, Positiven. Er hält Dich gefangen und zieht Dich unbemerkt in die Untiefen der Depression.

Das Gegenteil ist Romantik. Aber in diesen Zeiten? Vielleicht gerade. Und die Herbstfarben helfen dabei. Die Weinblätter in meinem Garten sind kurz vor dem Verwelken mit ihren Rottönen am Schönsten, so jedenfalls sieht es mein „Ich“. Die Jenaer Romantiker von 1800 (siehe mein Blog) haben uns gelehrt, dass die Natur das ist, was das „Ich“ aus der Natur heraus gewinnt. Und in auf diese Weise ist die Natur auch philosophisch „Wir“. Das war damals neu, heute gehört es zum Credo jeder Umweltbewegung.


Im Herbstwald entdecke ich Pilze. Sie sind nach neuster Forschung im Wood Wide Web die Kommunikationsmittel der Bäume. Dann haben die sich derzeit viel zu sagen: Achtung, der Mann mit der Motorsäge kommt! Oder: Werft Eure Blätter ab, dann dreht sich die Erde schneller! Wenn Bäume miteinander reden können, was mögen sie dann uns zu sagen haben?
Die ältesten von ihnen in meinem Lieblingswald haben schon die Bomber Richtung Magdeburg oder Halberstadt fliegen sehen. Würden sie heute fernsehen, sie würden seufzen und sich sagen: Also noch ein paar Jahrringe drauf. Und die Pilze? Sie sagen: Seht uns an, ist allemal besser als ein Atompilz.