Indien und der Krieg

Unser Kanzler reist heute nach Indien, um einen weiteren Alliierten für den Krieg zu gewinnen. Das versuchte im März 1942 auch ein gewisser Stafford Cripps, Minister im Kriegskabinett von Winston Churchill. Das faschistische Deutschland und das imperiale Japan bedrohten das Britische Empire an mehreren Fronten und der Subkontinent war für das Mutterland eine unverzichtbare Ressource an Soldaten. Cripps sollte bei der Kongresspartei als der Speerspitze der indischen Unabhängigkeitsbewegung um formelle Unterstützung nachsuchen. Die Verhandlungen scheiterten, weil die britische Zusage für eine indische Unabhängigkeit nach dem Krieg (sozusagen als Dank für die Unterstützung) extrem vage blieb.

Er erreichte das Gegenteil: Mohandas Gandhi, der sich in den Jahren zuvor zurück gezogen hatte, richtete im August 1942 vor Zehntausenden in Mumbai eine feurige Rede an seine Landsleute. „The mantra is Do or Die. We shall either free India or die in the attempt; we shall not live to see the perpetuation of slavery.“ Zugleich legte er in seiner Rede das Dilemma offen, einen gerechten Kampf gegen Faschismus und Totalitarismus zu unterstützen ohne in den Krieg hinein gezogen zu werden. Mehr denn je sei daher Satyagraha – gewaltloser Widerstand – gegen Krieg und Imperialismus gefragt.

Es war der Beginn der Quit India-Bewegung, ganz im Gandhi’schen Sinn gewaltfrei und mit Methoden des zivilen Ungehorsams. Die Behörden reagierten umgehend und setzten die gesamte Kongressführung unter Hausarrest oder warfen sie ins Gefängnis. Gandhi, seine Frau Kasturba und sein Sekretär wurden im Agha Khan Palast in Pune gefangen gehalten und erst 1944 wieder entlassen. Heute ist der Ende des 19. Jhs. vom Oberhaupt der Ismailiten der Stadt Pune geschenkte Palast ein nationales Denkmal.

Er liegt in einem schönen Park, den die Leute in Pune für stilvolle Hochzeitsfotos nutzen. Bei unserer Reise nach Pune letzte Woche hatten wir Gelegenheit , den Palast zu besichtigen, er lag nur einen kurzen Gehweg entfernt von unserem Hotel.

Mit Nachbildungen der Personen, Gegenständen und Schrifttafeln wird in den Räumen die Quit India-Bewegung dokumentiert sowie die Versuche der Briten, deren Führer mundtot zu machen. Kasturba Gandhi starb in Pune, ein großer persönlicher Verlust für Gandhi, aber auch der Verlust einer wichtigen Stütze seiner Philosophie und Politik.

Es täte gut, wenn westliche Politiker sich bewusst sind, wie sensibel man in Indien reagiert, wenn ein Stöckchen hingehalten wird mit der Aufforderung „Spring!“ Das Land ist politisch ein Global Player und lässt nicht mit sich spielen, und sei der Grund noch so gerecht.

Der Bundeskanzler wird aber nicht wie Herr Cripps im Jahr 1942 mit leeren Händen zurück kommen: Indien hat gigantische Produktionsaufträge für Airbus (Flugzeuge für Air India) und Siemens (Loks für Güterzüge) vorbereitet. Wie ich uns kenne, wird das manches moralische Argument relativieren.

4 Gedanken zu “Indien und der Krieg

      1. Tolle Beitrage. Die Experimente mit der der Wahrheit, habe ich 2 oder 3 mal als Hörbuch genossen. Besonders den Sprecher, etwas sehr British klang der, dafür aber sehr nahe an der deutschen Synchronstimme von Ben Kingsley.
        Satyagraha kling nicht nur als Wort gut, sondern hilft auch gegen Abhängigkeiten 😉

        Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s