Zuweilen schrecken Schlagzeilen aus weit entfernten Orten aus der Lethargie des Wohlstandslandes auf: Internationale Zeitungen berichten über eine katastrophale Smoglage in Bangkok und Nordthailand. Während die Situation in Bangkok mit der typischen Konstellation von Umweltverschmutzung in Metropolen zu tun hat, erstaunt die Situation in den Provinzen Chiang Mai und vor allem dem ländlichen Chiang Rai. Hier liegen die Werte an Feinstaub (PM2,5) um das 10 bis 20-fache über dem Grenzwert der EU (korr. am 6.4.). Diese Werte sind in höchstem Maße gesundheitsgefährdend.

Laut Bericht der Straits Times in Singapur haben Drohnen am Nachthimmel über Chiang Rai ein Thai-Schriftzeichen geformt „Wir können nicht atmen!“
Wie kommt es ausgerechnet in einem Raum wie Chiang Rai zu solchen Belastungen? Aufschlussreich dazu ist ein SPIEGEL-Interview mit Weenarin Lulitanonda von der Bürgerinitiative Thailand Clean Air Network (siehe Link unten). Sie beantwortet die Frage wie folgt (zitiert aus dem SPIEGEL-Interview):
„Damals (vor 14 Jahren, eigene Anm.) gab es die politische Bestrebung, Thailand zu einer der großen Kornkammern der Welt zu machen. Allen voran für Reis. Aber auch für Mais – und Zuckerrohr: Thailand ist einer der Hauptproduzenten von Zucker weltweit. Wenn man auf die Karte schaut, sieht man, was für ein Wahnsinn das ist: Denn die Fläche Thailands ist eigentlich nicht so groß. Das heißt, man muss jedes Stückchen Land intensiv bewirtschaften, braucht schnelle Erntefolgen, damit die Produktionsziele erreicht werden. Die Bauern hier sind keine Großbauern, sie können sich keine riesigen 300.000 Euro teuren Erntemaschinen leisten. Also ernten sie stattdessen von Hand – und brennen die Felder und ihren Agrarmüll hinterher ab. Das ist für sie billig und schnell gemacht. Die Folge: fürchterliche Feinstaubwerte und kranke Menschen im ganzen Land.„
Die Kleinbauern können sich Erntemaschinen, die das Reisstroh zerhexeln oder unterpflügen, nicht leisten, sie verbrennen einfach die Rückstände kurz vor Einsetzen der Regenzeit. Sind die Kleinbauern im Norden Thailands also „Umweltsünder“, denen man mit Gesetzen bzw. Verboten zu Leibe rücken muss? Die Erinnerung an Diskussionen zu Umweltregelungen bei uns drängt sich auf. Dabei haben die Bauern nur politische Vorgaben aus Bangkok umgesetzt.
Zur Lösung schlägt Frau Lulitanonda vor, Gesetze zu erlassen und Umweltbewusstein über Aufklärung und Partizipation der Zivilgesellschaft zu erzeugen. Gut und schön, aber es erscheint mir ebenso zu kurz gefasst, wie bei uns Hausbesitzer per Gesetz zu „bewegen“, neue Heizanlagen zu installieren.
Es bedarf neben Aufklärung vor allem finanzieller Unterstützung durch den Staat, um Kleinbauern (siehe Aufmacherfoto zu diesem Beitrag, das im Nordwesten von Chiang Rai entstand) zu ermöglichen, ihre Reisfelder ohne Verbrennungsrückstände zu bewirtschaften.
Verbote helfen weder in Thailand noch bei uns. Vielleicht sollte man das gut gemeinte, aber schlecht ausgeführte Motto von „Fordern und Fördern“ im Sozialstaat auf den Umweltschutz übertragen. Ansonsten werden die Menschen in Thailand noch lange an Feinstaub erkranken – und wird bei uns der CO2-Ausstoß beim Heizen unverändert hoch bleiben.

Informationen zu Feinstaub auf der Webseite des Umweltbundesamtes