Tranquebar: dänische Spuren am Indischen Ozean

Wer von Chennai aus entlang der Coromandel-Küste nach Süden fährt, trifft im heutigen Tamil Nadu auf eine ganze Reihe kolonialer Spuren jenseits der von den Briten: Pulicat (Niederlande), Porto Novo (Portugal), Karikal (Frankreich) und – um Unscheinbarsten -Tharangambadi (Dänemark).

Das kleine Viereck mit altem Stadttor, einer Festung am Strand und den Spuren von protestantischen Sozialarbeitern aus Halle und der Lausitz ist Juwel für Leute, die versteckte Orte aufsuchen. Übrigens, in Halle gibt es eine „Nudelmanufaktur“ nahe den Francke’schen Stiftungen, die sich Traquebar nennt.

Ein Vertrag mit den Nayaks von Thanjavur, der Territorialmacht im Kaveri-Delta, sicherte ab 1620 der dänischen Krone das Recht, von Tranquebar aus – so der damalige Name – Handel zu treiben. Die Dansborg wird von Zeit zu Zeit restauriert, mit dänischen Geldern. An sie grenzt im Süden an ein Ensemble von Paradeplatz, Villen, Bungalows und Kirchen entlang der „Königsstraße“ bis zum westlichen Stadttor (Landgaten), welches in den vergangenen Jahren ebenfalls mit großem Aufwand restauriert worden ist.

Danske Fort, restauriert, August 2017

Geschichte und Mission

Das historische Erbe Tranquebars besteht weder in der nachhaltigen Profitabilität überseeischer Aktivitäten (die waren im 17. Jh. nahezu immer defizitär), noch in bleibenden Verbindungen zum „Mutterland“ Dänemark (Tranquebar blau ist für Porzellan in Dänemark ein Begriff wie Delfter Porzellan in den Niederlanden), sondern es führt nach Mitteldeutschland. Tranquebar ist eng verbunden mit der ersten protestantischen Mission in Übersee aus Halle an der Saale, die mit Zustimmung des dänischen Königs die Coromandelküste erreichte.

Die Dänisch-Hallesche Mission ist vor allem von Bartholomäus Ziegenbalg geprägt, der 1706 nach Tranquebar kam und dort 1719 verstarb. Das Erlernen von Tamilisch, Übersetzungen von Texten jeweils aus Tamilisch in Deutsch und umgekehrt, Bau von Schulen und – heute würde man sagen – dörflichen Entwicklungsprojekten prägten die Arbeit der Hallenser mehr als missionarischer Eifer. Heute sind die Zion’s Church von 1701 und die New Jerusalem Church von 1718 ebenso sorgfältig restauriert, wie die Denkmäler der Missionare aus Halle.

Geographie und Wirtschaft 

Tharangambadi liegt knapp 300 Straßen-km südlich von Chennai. Administrativ gehört es zum Nagapattinam Distrikt, der nahezu die gesamte 187 km lange Nord-Süd verlaufen Küsten“front“ des Kaveri-Deltas einnimmt. Das Klima wird vom monsunalen Wechsel der Niederschläge bestimmt, zwei Drittel des jährlichen Niederschlags von rund 1.300 mm fallen während des Nordost-Monsuns (Oktober bis Dezember). Reisanbau und Fischerei sind die einzigen nennenswerten Wirtschaftszweige einer dicht besiedelten Region.

Tsunami von 2004

An der Balustrade erkennt man die Höhe der Tsunami-Welle

Die Welle des Seebebens von Sumatra traf die südostindische Küste kapp zwei Stunden später, gegen 9 Uhr morgens Ortszeit. In Tranquebar wurden vor allem die Fischersiedlungen am Nordrand des Städtchens betroffen. Hier ist die Küste flach und die Wassermassen trugen Boote hunderte Meter landeinwärts, wie Satellitenfotos zeigen. Im historischen Ensemble bildeten Felssprünge und Mauerreste der Hafenanlagen geringen Schutz gegen die Welle, aber auch hier strömte Wasser meterhoch quer durch die Stadt. Ein Teil wurde über den südlich anschließend Priel kanalisiert, so dass zwar strukturelle Zerstörungen an Gebäuden vergleichsweise gering blieben, aber die Wassermassen dennoch erhebliche Schäden anrichteten. Über 400 Menschen kamen in Tharangambadi ums Leben.

INTACH Pondicherry’s Tranquebar-Projekt

Der Indian National Trust for Art and Cultural Heritage (INTACH) ist eine Indien weite Nicht-Regierungsorganisation mit Sitz in Delhi und über 140 Regionalbüros (Chapters). Deren Ziel ist es, die vom Verfall bedrohte Bausubstanz kolonialer Städte zu schützen. Öffentliche Einrichtungen und internationale Geldgeber, wie der dänische Bestseller Fund, nutzen die Expertise von INTACH für Heritage Conservation– Projekte in Tranquebar.

Zudem übernahm ein privater Investor den einstigen Collector’s Bungalow und restaurierte das Gebäude als Heritage-Hotel („Bungalow on the Beach„) samt Außenanlagen. INTACH hat eine Tranquebar_Heritage_walk_Map (pdf) zusammengestellt, die mit einer gut gestalteten Karte die einzelnen Gebäude für den Besucher zugänglich macht.

Perspektive Tourismus 

Mit den beiden Hotels der Neemrana-Gruppe (neben dem Bungalow auch „The Gate“ nahe dem Stadporten) bietet Tharangambadi zwar ein stimmungsvolles Refugium für anspruchsvollen Tourismus. Aber die periphere Lage, gut zweieinhalb Stunden Fahrt von Pondicherry und mehr als fünf Stunden von Chennai aus, lassen kein zahlenmäßig großes Besucheraufkommen erwarten, das nachhaltige wirtschaftliche Impulse geben könnte.

Eine Chance bieten Empfehlungen über soziale Netzwerke an Individualtouristen, die auf der Suche nach Authentizität und „off the beaten track“ in Tharangambadi auf ihre Kosten kommen. An solchen Juwelen ist Südindien reicher, als die meisten klassischen Landeskunden und Reiseführer gewöhnlich vermitteln.

2 Gedanken zu “Tranquebar: dänische Spuren am Indischen Ozean

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